230 Volt Modem, Steuerpult und Relaiskarte

Mit 125 kHz durchs Netz

erschienen in funk, Heft 5/99
Ansicht 230 Volt Modem

Anwendung:


Features:


Datenübertragung per 230 Volt

Worum geht es? Da hat der Vermieter zähneknirschend das schwarze RG213-Kabel bis zum Dachboden und schließlich auch den Unterdach-Dipol oder die Yagi genehmigt. Ist das Ende der Fahnenstange schon erreicht? Vielleicht nicht, auch wenn der Hausbesitzer weitere Kabel entlang der Hauswand strikt untersagt.

Antennengeschädigt

- oder präziser ausgedrückt: Vermietergeschädigt? Entweder ist der Vermieter dagegen oder die holde Gattin findet es "grauslich": Gemeint ist des Funkamateurs liebstes Kind - der Drahtverhau auf dem Dach, pardon - natürlich der private Antennenwald! Und die aus Draht und Alurohr selbsterstellte "Augenweide" will per Kupfer mit dem Shack verbunden sein. Also sammeln sich mit der Zeit etliche Kabel an. Ob mehradriges Rotorsteuerkabel, 12V-Strippe für den Vorverstärker oder das Koaxrelais, Hühnerleiter und so fort. Glück hat, wer Eigentum besitzt und dazu eine tolerante Ehefrau.
Viele OMs jedoch wohnen zur Miete und träumen von der 80m-Schleife. Selbst eine kleine Magnetic-Loop ist nicht drin: "Zuviel Verkabelung" sind die Worte des Vermieters. Wirklich nur ein Traum? Wie man mit einem einzigen HF-Kabel auskommt und dennoch eines oder mehrere Koaxrelais, die Magnetic Loop oder auch die PA steuern kann, das zeigt dieser Beitrag.
Eine Bedingung jedoch muß erfüllt sein, bevor Sie die Bauteile ordern und den Lötkolben anheizen: Am "Zielort" muß sich eine Steckdose befinden oder eine 230V-Deckenlampe vorhanden sein. Kurz: Als Übertragungsstrecke soll das 230-Volt Lichtnetz fungieren.
Abbildung: Verschiedene Anwendungen für 230V-Modem, Steuerpult, Windows-Software und Relaiskarte

Funkamateur vs. 230V-Leitungsnetz

Als ich dieses Projekt ankündigte, ließ die Reaktion von Seiten einiger OM´s nicht lange auf sich warten: "Funkamateure sollten sich doch nicht an der Datenübertragung per Lichtnetz beteiligen, da diese in Zukunft möglicherweise KW-Signale stören werde" lautete die Aussage.
Um aufgeregten Gemütern vorzubeugen, vorab ein kurzes Statement: Diese Befürchtung teile ich, wenn es denn dazu kommt, das 230Volt-Netz breitbandig im Bereich von Null bis 30 oder 50 MHz mit Datenübertragung zu belegen. In Süddeutschland findet dazu ein Feldversuch statt (vielleicht kann ein OM davon einmal berichten), in England wurden derartige Versuche flugs wieder eingestellt. Der Grund: Die Internet-Nutzer konnten zwar schnell wie nie im Netz der Netze surfen, allerdings auf Kosten sämtlicher Funkdienste, die flächendeckend gestört wurden! Das Leitungsnetz und die Straßenlaternen dienten als hervorragende Antennen, die einen geordneten Funkbetrieb unmöglich machten.
Wir machen das anders, längst nicht so schnell, dafür jedoch völlig störungsfrei und vor allem schmalbandig und normgerecht: Derzeit ist nach europäischer CENELEC-Norm EN50065-1 eine Datenübertragung via Lichtnetz in einem Frequenzbereich von 9 bis 150kHz gestattet. Dieser ist in drei Bereiche aufgeteilt:
Band Benutzer Frequenzbereich max. Sendeamplitude
A EVU 9...95 kHz 10 Volt
B Privat 95...125 kHz 1,2 Volt
C Privat 125 ... 140 kHz 1,2 Volt
Wir benutzen die Frequenz von 125 kHz oder genau 1/64 der Geschwindigkeit, mit der das Modemchip getaktet wird. Das ergibt einen Quarz von glatt 8 MHz. Wie fast immer stützt sich dieses Bauprojekt auf ein IC, hier ist es das TDA5051AT, ein Power Line Modem von Philips. Dieser Schaltkreis ist etwa zwei Jahre auf dem Markt und enthält bereits ein Großteil der Elektronik, so daß die Außenbeschaltung in erträglichem Rahmen bleibt.

Das Projekt - kurz skizziert

Doch bevor wir zu sehr ins Detail gehen, sei das Bastelprojekt kurz erläutert: Zur Übertragung von Steuerbefehlen (Koaxrelais an/aus, Motor an/aus etc.) wird zunächst an jedem Ende der Übertragungsstrecke ein 230V-Modem benötigt. Als Sender für irgendwie geartete Steuerbefehle kann ein Computer seinen Dienst tun, doch nicht unbedingt möchte man eine wertvolle Schnittstelle des PC belegen und viel Strom verschwenden, um evtl. einmal am Tag ein Relais zu schalten? Also kommt alternativ ein kleines Steuerpult zum Einsatz, daß auf zwei mal fünf Schaltfunktionen dimensioniert ist. Am Ende der Übertragungsstrecke, also etwa auf dem Dachboden, ist eine Relaisplatine an das 230V-Modem angeschlossen. Diese nimmt die vom Modem empfangenen Befehle entgegen, interpretiert diese und -- falls korrekt -- schaltet das entsprechende Relais. Ist das geschehen, geht auf dem Steuerpult eine LED an -- oder aus. Mit dieser universellen Anordnung, die alternativ individuell verändert und ausgebaut werden kann, ist bereits ein großer Bereich an Anwendungen abgedeckt: So ist es sehr einfach, die geeignete Antenne mittels einer oder mehrerer Koaxrelais auszuwählen, eine 2m- oder 70cm-PA einzuschalten oder den Mastvorverstärker zu aktivieren. Mit zwei Relais kann der Grillmotor der Magnetic-Loop gesteuert werden (oder der im Garten!), vielleicht auch ein Antennenrotor. Eventuell möchte man im Taubenschlag das Licht ein- bzw. ausschalten - der Anwendungen auch Außerhalb des Amateurfunks sind kaum Grenzen gesetzt.
Die hier vorgestellte Lösung mit zwei Modems, je einem Steuerpult und Relaiskarte soll ein erster Einstieg in die vielfältigen Anwendungen sein, die sich mit der Übertragung per 230V-Netz eröffnen. Anstatt nur simple Ein/Aus-Befehle zu übertragen, kann man ebenso gut die Temperatur überwachen oder andere analoge Meßwerte erfassen, anders herum jedoch auch steuern. Und wer will, das alles auch gleichzeitig. Etwas Hardware und Software macht es möglich.

Für jeden etwas

Wer sich nun gar nicht mit der Übertragung via Lichtnetz anfreunden kann, auch dem sei geholfen: Statt der 230-V-Modems erlauben die hier vorgestellten Platinen auch eine Verbindung mit echtem RS-232 Pegel! Dazu reicht eine Dreidraht-Verbindung mit den Signalen TxD, RxD und GND. Hierbei ist die max. Entfernung zwischen Steuerpult und Relaiskarte jedoch auf ungefähr 10 bis 15 m beschränkt. Wer mehr will, sollte es ausprobieren!

Ohne Software geht nichts

Und damit sind wir bei der Software angelangt: Um die Anzahl der Bauelemente und die Applikation flexibel zu halten, kommt man heute um einen kleinen Prozessor nicht herum. Auf der Steuer-, als auch auf der Relaisplatine kommt ein kleiner Atmel-Prozessor AT89C2051 zum Einsatz, wie er sich in vielen aktuellen Anwendungen findet. Dieser ist sehr preiswert und aufgrund der integrierten seriellen Schnittstelle optimal für das Zusammenspiel mit dem Philips Modemchip ausgerüstet, denn das Modem wünscht die Daten "naturgemäß" in serieller Form.
Was passiert also im Steuerpult? Das ist verhältnismäßig einfach. Der Prozessor wartet geduldig auf das Drücken einer der Tasten. Betätigt der Anwender also eine der Tasten, geht am Prozessor ein Bit auf "Low". In Abhängigkeit von der betätigten Taste formt die Software daraus einen simplen Befehl, der dem Modem zugeleitet und über die Netzleitung übertragen wird. Am Ziel angelangt, empfängt das Modem der Relaiskarte das Signal und übergibt das Byte dem Prozessor. Die Empfangssoftware schaut nun nach, ob das empfangene Byte ein gültiger Befehl darstellt und betätigt daraufhin das entsprechende Relais.
Das Steuerpult kann auch durch Software und PC ersetzt werden Das Steuerpult kann auch durch Software und PC ersetzt werden
Als Bestätigung sendet die Relaiskarte das zuvor empfangene Byte wieder zum Steuerpult zurück. Ist es identisch mit dem zuvor gesendeten Byte, geht die LED an bzw. aus, die der betätigten Taste auf dem Steuerpult zugeordnet ist. Die Software ist nicht sehr aufwendig. Eine umfangreichere Variante ist derzeit in Arbeit, die das Steuern mehrerer Relaiskarten erlaubt und kleine Datenpakete mit Prüfsumme verschickt. Vielleicht ist diese bei Erscheinen des Beitrages bereits verfügbar.
Die Relaiskarte verfügt über 5 Relais und insgesamt 10 Schaltfunktionen Die Relaiskarte verfügt über 5 Relais und 10 Schaltfunktionen

Das 230 Volt-Modem

Zur Spannungsversorgung des TDA5051-Modemchips sowie der angeschlossenen Module besteht das 230V-Modem aus den klassischen Bauteilen eines Netzteiles wie Transformator, Gleichrichter, Spannungsregler und Siebelko. Von dort bezieht das zentrale Silizium die notwendige Energie. Über ein L-C Netzwerk und einem HF-Übertrager ist das Modemchip an das 230V-Netz gekoppelt. Zur Steigerung der Empfindlichkeit im Empfangsbetrieb verstärkt ein BC547B das Signal und erhöht so die Reichweite der Übertragungsstrecke. Da sowohl am TX-Ausgang, wie auch am RX-Eingang chipseitig eine Gleichspannung anliegt, müssen beide Signale über einen Kondensator entkoppelt sein. Die unipolaren Suppressordioden P6KE6V8 schützen das TDA5051A vor Spannungsspitzen aus dem Lichtnetz und somit vor einem Defekt. Auf der Primärseite sorgt zudem ein Varistor dafür, daß Überspannungen der Schaltung nichts anhaben. Das Schaltbild hält sich recht eng an die Philips-Applikation des Datenblattes, mit Ausnahme des großzügig dimensionierten Netzteils, daß mit dem 3-Watt Trafo in der Lage ist, auch das angeschlossene Platinchen mit 5 Volt zu versorgen.
Wer nun weiterlesen möchte, sollten den Text laden und offline weiterlesen. Dazu gehören einige Bitmaps, eine Batch-Datei zum Starten von Flexnet und einiges mehr.

Update zum Artikel, oder: Was nicht in der Zeitschrift steht...

Sehr wahrscheinlich ist es so, daß das hier beschriebene 230-Volt Modem nur dann mit der europäischer CENELEC-Norm EN50065-1 verträglich ist, wenn der in der Philips-Applikation angegebene TOKO Übertrager T1002 genutzt wird.
Inzwischen ist seit der Abgabe des Artikels einige Zeit verstrichen, die ich genutzt habe, nochmals nach dem TOKO-Übertrager zu fahnden.. Kurz und gut, mir stehen nun die genannten Übertrager TOKO T1002 zur Verfügung, und damit klappt die Datenübertragung per 230-V-Lichtnetz recht gut. Leider paßt das Platinenlayout für den Übertrager nicht mehr 100%ig, da das TOKO etwas kleiner ist als ein selbstgewickelter Ringkern. Setzt man jedoch Lötstifte in die Bohrungen der Platine und lötet den Übertrager daran fest, ist es ein Kinderspiel. Die sekundärseitigen drei Anschlüsse passen wie der Nagel auf den Kopf, zu beiden Primäranschlüssen legt man ein kurzes Stück Silberdraht.
Dennoch werde ich das Layout in den nächsten Tagen dem TOKO-Übertrager anpassen und hier erneut einspielen. Das sieht dann schöner aus, wenn man das TOKO nutzt. Derzeit stehen die Layout wie im Artikel gezeigt zur Verfügung.

Software für Steuerpult und Relaiskarte

Was die Software betrifft, so ist derzeit eine simple Version hier verfügbar, die Sie für die ersten Versuche nutzen können. Für die allerersten Tests jedoch sollten Sie PERMTX nutzen, daß in der Datei ASM.EXE enthalten ist. Damit sendet das Steuerpult die Befehle 1-2-3-4-5-0 immerfort. Damit werden die Relais der Relaiskarte also immerzu angesprochen, was sich durch deutliches Klicken akustisch bemerkbar macht. Das erleichtert Reichweitentests und die erste Inbetriebnahme der 230-V-Modemstrecke.
In Kürze (bzw. nach Fertigstellung) werde ich hier eine verbesserte Software-Version für die Prozessoren im Steuerpult und der Relaiskarte einspielen, die auch den harten Bedingungen im 230-V-Netz genügen soll. Mir schwebt ein Verfahren nach Art des "Jack-Hammer" vor: Dabei werden vom Steuerpult solange Datenpäckchen versandt, bis ein definitiv als korrekt erkanntes Paket vom Empfänger (mit einem Byte) bestätigt wird.
Zudem ist jeder Interessierte dazu eingeladen, hier seine eigene Software für die 230-Volt Übertragungsstrecke vorzustellen und zu veröffenmtlichen. Ich freue mich über jede Zuschrift und Unterstützung bei der Programmierung! Schließlich ist der Anwendungsbereich der 230-V-Modems schier unbegrenzt!

Beschaffung der Bauteile

Wer möchte, kann die Bauteile, die nicht in jeder Bastelkiste liegen, in gemäßigten Stückzahlen über mich beziehen. Da ist das TDA5051 zu nennen, das nicht bei jedem Distri erhältlich ist. Auch der TOKO Übertrager ist hier verfügbar.
Zumindest was die Platinen betrifft, so rege ich an, diese selbst zu ätzen, sofern möglich. Meine diesbezüglichen Kapazitäten sind leider begrenzt. Dafür sind die Platinen aber bewußt einseitig, also einfach gehalten.
Hier also etwas für alle, die zum Lötkolben drängen:
Einzelne Bauteile: Preis:
TDA5051 DM 22,00
TOKO T1002 DM 10,00
Platine 230-V-Modem DM 15,00
Platine Steuerpult DM 15,00
Platine Relaiskarte DM 15,00
Bausätze: Preis:
Bausatz Modem, komplett mit Platine,
Trafo, TOKO, TDA5051 und allen Bauteilen
DM 79,00
Bausatz Steuerpult DM 38,00
Bausatz Relaiskarte mit 1 Relais teilbestückt DM 49,00
Bausatz Relaiskarte mit 5 Relais vollbestückt DM 64,00
Fertiggeräte Nichts-da: selberlöten!

Leider sind die Bausätze durch einige teurere Bauteile (TDA, TOKO, Trafo, 6V-Relais (schaltet 250V/5A) etc.) nicht ganz billig, aber immer noch günstiger, als bei mehreren Quellen zu bestellen und mehrfach Nachnahmegebühr entrichten zu müssen. Aber vielleicht ist die Bastelkiste ja gut sortiert...
Lieferzeiten sind je nach Marktlage und Liefersituation möglich.

Installation und Software

Zum Basteln und Löten stehen Ihnen die folgende Dateien zur Verfügung. Wählen Sie aus:

Beschreibung als ASCII-Text (ARTIKEL.TXT) (22 KBytes)

Bitmaps im BMP-Format, selbstentpackend (BMPS.EXE) (211 KBytes)

Alle Platinenlayouts und Schaltbilder im Eagle-Format (EAGLE.ZIP), Modems mit Eigenbau-Ringkern (52 KBytes)

NeuPlatinenlayout für 230 V-Modem (Mod3.zip) mit TOKO T1002 Übertrager (35kByte), Eagle-Format und Layout zusätzl. als TIF-Datei

Windows-RS232-Steuerpult (STP.ZIP) (134 KBytes)

8051-Assemblercode in den Formaten asm, hex und bin (ASM.EXE) (8 KBytes)

Alle Dateien in ein (leeres) Verzeichnis kopieren, dann EXE starten und Zip´s bitte mit WinZip oder PKunzip entpacken.

Software für Power-Line-Modem aus fremder Quelle

Zur sicheren Datenübertragung über die Netzleitung habe ich ein einfaches, aber zuverlässiges Protokoll gefunden, daß Christer Johansson von HTH entwickelt und in das Internet gestellt hat: S.N.A.P.. Das steht für Scalable Node Address Protocol. Wie schön, daß man das Rad nicht immer wieder neu erfinden muß! Also nichts wie hin zu SNAP und Beispiele und Beschreibung laden. Die SNAP-Beispiele sind in einfachem BASCOM-Dialekt geschrieben. Die SNAP-Beschreibung ist als PDF verfügbar und in einer halben Stunde verdaut. Wer kein Basic mag, kann es leicht in Assembler umschreiben.

Bisher bin ich über SNAP hergefallen und habe den Slave (für die Relaiskarte) fertig und einen SNAP-Master für das Steuerpult programmiert. Nun kommt der schwierigere Teil: das debuggen. Bis ich es hier zur Verfügung stellen kann, wird also noch einige Zeit vergehen (je nach dem, wie Zeit dazu bleibt).


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